Zwangsarbeit in Österreich

ms • Aug. 17, 2024

Wie sieht es mit der Arbeit hinter Gittern aus?

Jeder Strafgefangene muss arbeiten. So steht es im Gesetz. Mehr oder weniger, denn dort steht noch das Wort „arbeitsfähig“ dabei. Also, jeder arbeitsfähige Insasse muss arbeiten. So weit so gut, denn im Grunde lesen sich die meisten Paragraphen de Strafvollzugsgesetzes eigentlich ganz gut. Es wird der Eindruck erweckt, dass tatsächlich an der Resozialisierung von Strafgefangenen gearbeitet wird. Die Realität sieht freilich ganz anders aus. Dazu später mehr.


Zuerst möchte ich darauf eingehen, welche Arbeitsmöglichkeiten ein Insasse heute in einer Strafanstalt hat. Dazu müssen wir zuvor auch noch erklären, dass es in Österreich sogenannte Landesgerichtliche Justizanstalten und eben Strafhäuser gibt. Der Unterschied ist, dass in denen beim Landesgericht hauptsächlich Untersuchungsgefangene eingesperrt sind. Die Betriebe und Arbeitsmöglichkeiten unterscheiden sich nicht wirklich. So gibt es in jeder Anstalt eine Anstaltsküche. Die Küche in der das Essen für Insassen zubereitet wird. Dann gibt es noch die Beamtenküche. Das ist die Küche in der das Essen für Beamte zubereitet wird, weil die natürlich nicht das ungesunde Essen der Insassen zu sich nehmen wollen. Es hat auch praktische Überlegungen. Im möglichen Falle einer Vergiftung, wären auch sämtliche Beamte, die dort gegessen haben, vergiftet. Gut, wer sagt, dass das in einer BK (= Beamtenküche) nicht passieren kann? Aber egal. Dann gibt es natürlich die typischen handwerklichen Betriebe wie z.B. Tischler (Schreiner) oder Schlosser. Was die beiden machen, muss nicht weiter erklärt werden. Zusätzlich gibt es auch noch die Instandhaltungsbetriebe wie z.B. Installateure (Kemptner). Wenn Platz dafür vorhanden ist, gibt es auch noch oft eine KFZ-Werkstätte. Das sind die Betreibe, die in so gut wie allen Anstalten vorhanden sind. Einige Anstalten haben dann noch Spezialbetriebe wie z.B. der „Drucksortenbetrieb“ in Graz-Karlau oder die „Druckerei“ in Stein. In beiden Betrieben werden, wie der Name schon sagt, Drucksorten hergestellt. Sprich, z.B. Formulare, Aushänge, Visitenkarten, Flyer, etc. Ein weiterer Spezialbetrieb in Graz ist die „Kunst“. Ursprünglich als Betrieb geplant, der Insassen aufnimmt, die sonst nirgendwo eingeteilt werden können, hat sich dieser Betrieb zu einem wahren Schatz entwickelt. Insassen stellen dort ansehnliche und qualitativ hochwertige Stücke her, die dann auch verkauft werden. Das ist übrigens der einzige Betrieb in dem auch Insassen einkaufen können.

Wenn es der Platz erlaubt, dann findet man auch den Betrieb der „Öko“ in den Anstalten. Also ein Gartenbetrieb in dem Pflanzen, Gemüse und Obst angebaut wird. Das wird dann teilweise für die beiden Küchen verwendet und teilweise können die Produkte Beamte kaufen. Insassen können diese Produkte nicht käuflich erwerben. Im Gegenteil, ich kenne den Leiter der „Öko“ in Graz – Karlau und wenn man den auf die Kirschen angesprochen hat, dann konnte man sich eine Predigt anhören gegen die die Bergpredigt wie ein kleines Flüstern erscheint.


Nicht vergessen darf man auch die Müllverwertung. Keine tolle Arbeit, aber irgendwer muss sie ja machen. Natürlich machen das Insassen. Hier wird, wer hätte das gedacht, der Müll getrennt und dann für die Abholung der Mülltransporter vorbereitet. Nun, offiziell zumindest wird der Müll getrennt, denn es wurde schon beobachtet, dass man das nicht wirklich so genau genommen hat.

Ebenfalls nicht vergessen darf man die sogenannten Hausarbeiter. Eigentlich kein eigener Betrieb, da diese auf den einzelnen Abteilungen und in den jeweiligen Betrieben angestellt sind. Am besten kann man die Tätigkeit eines Hausarbeiters mit „Mädchen für Alles“ umschreiben und damit dürfte klar sein, dass ohne einen Hausarbeiter weder die Abteilungen, noch die einzelnen Betriebe funktionieren würden. Warum? Ganz einfach, weil sie sind es, die dafür sorgen, dass es sauber ist. Sie organisieren Reinigungsmittel, Hygieneartikel, holen Lieferungen ab, holen das Essen und verteilen es an die Insassen, und noch Vieles mehr. Im Verhältnis hat ein Hausarbeiter wahrscheinlich die meiste Arbeit, auch wenn es sicher Abteilungen gibt, in denen auch Hausarbeiter eher eine ruhige Kugel schieben können.


Der „Baubetrieb“ schließlich ist auch nicht in jeder Anstalt vertreten. Hier arbeiten Maurer, die meistens dann zur Arbeit geholt werden, wenn irgendwo Reparaturarbeiten anfallen. Allerdings sind sie nicht nur zum Bauen, sondern auch zum Zerstören da. Wenn also irgendwo eine Mauer eingerissen werden muss, ist auch der Baubetrieb zur Stelle. Ich befürchte jedoch, dass dies nicht für die Außenmauern gilt.

Bei all den Betrieben hätte ich jetzt fast auf die Bäckerei vergessen. Wie der Name schon sagt, wird dort gebacken. Brot hauptsächlich, aber auch Semmeln (Brötchen) und andere Backwaren. Kennt man den Chef der Bäckerei gut und versteht sich mit ihm, dann spring schon mal vielleicht etwas „Spezielles“ wie ein Kuchen oder Mohn- oder Sesamweckerl heraus. Im Gegensatz zu den Küchen, ist die Bäckerei tatschlich ein Betrieb wo auf die hohe Qualität der Backwaren geachtet wird. So habe ich in keiner Bäckerei in Freiheit ein besseres Brot erhalten, als wie in der der Justizanstalt Karlau. Es gibt allerdings auch Negativbeispiele wo das Brot so gut wie ungenießbar ist. Gut, aber wir sind nicht hier um über die Qualität der einzelnen Betriebe zu sprechen.

Habe ich noch etwas vergessen? Ja, natürlich. Es gibt noch die Bibliothek in der Insassen Bücher ausleihen können. Die gesamte Logistik muss ja auch von jemanden erledigt werden und natürlich machen das Insassen. Dann gibt es noch die Insassen, die beim Einräumen der Ware für den wöchentlichen Einkauf helfen, Insassen, die die Bereiche im Eingangsbereich der Anstalt reinigen und die, die die sogenannten „Familienzellen“ (also Sexzellen) reinigen.


Die großen Anstalten haben auch noch „Spezialbetriebe“. Betriebe, die für Firmen von draußen arbeiten. Diese Jobs sind meistens sehr begehrt, da sie deutlich mehr Geld einbringen, als die herkömmlichen Jobs.

Das heißt, es gibt also eine recht große Anzahl an Betrieben in denen Insassen arbeiten können (und müssen). Im Grunde genommen ist das eine gute Sache, sollte man meinen. Denn je mehr ein Mensch arbeitet und abgelenkt ist, desto weniger kann er auf dumme oder dunkle Gedanken kommen. Die Praxis sieht freilich ganz anders aus. 


Die herkömmliche Arbeitszeit beginnt um 7.00 Uhr in der Früh und endet um 12.00 Uhr. Einige Betriebe sind auch bis 14.00 Uhr geöffnet. Danach allerdings geht nichts mehr (bis auf ein paar kleine Ausnahmen), da der Schichtwechsel bei den Beamten in den Nachtdienst um 15.00 Uhr ansteht und natürlich keiner zu spät aus der Anstalt hinauskommen will. Die Arbeit ist, jetzt abgesehen von typischen Bürojobs wie „Bibliothek“ oder „Drucksorten“ bzw. „Druckerei“, hart und viel. Vor allem handwerkliche Betriebe wie die Maurer oder Maler (die hab ich zuvor auch nicht genannt), Bäcker oder auch die Hausarbeiter, verlangen von ihren Insassen meistens sehr viel.

Krankenstände im eigentlichen Sinne gibt es nicht, wie ich zuvor schon bemerkt habe. Und natürlich gibt es auch keinen Urlaub oder eine Erholungsphase. Gut, man kann natürlich sagen, dass man einfach mal für eine Woche nicht zur Arbeit erscheint, aber dann erhält man für diese Zeit natürlich auch kein Geld und man riskiert vom Betrieb „abgelöst“ zu werden, also gekündigt zu werden.

Aktuell ist es in den größeren Anstalten so, dass Betriebe oft gar nicht erst offen sind, weil die Ressourcen fehlen. So kommt es z.B. in Stein vor, dass bestimmte Betriebe ein oder zwei Wochen lang geschlossen sind. Dasselbe gilt auch für Graz-Karlau, die Josefstadt, Krems, Hirtenberg, etc. Der Ressourcenmangel (= Beamtenmangel) wird in den typischen Urlaubszeiten noch deutlich mehr spürbar und Betriebe, die eigentlich wichtige Arbeiten zu erledigen hätten, bleiben geschlossen. Das geht sogar so weit, dass Beamte aus deren Stammbetrieben abgezogen werden um sogenannte Systemerhalterbetriebe wie z.B. die Küchen, Bäckerei, Wäscherei (die habe ich zuvor nicht genannt), etc. am Laufen zu halten. Ein Umstand, der unter den Insassen natürlich auf großen Unmut stößt. Denn, der Verdienst in den Betrieben ist sowieso nicht allzu hoch. Im Gegenteil, ein Insasse verdient im Schnitt €2 am Tag. Das Geld bekommt er aber natürlich nur dann, wenn er auch tatsächlich arbeitet. Das heißt, wenn der Betrieb geschlossen bleibt, dann gibt’s auch an dem Tag kein Geld. Dasselbe gilt natürlich, wenn ein Insasse krank ist. Eine Krankenversicherung oder Ähnliches gibt es nicht. Auch hier heißt es dann, wenn der Arzt einen Insassen krankgeschrieben hat, dann gibt’s für diese Zeit kein Geld. Ich glaube, ich muss nicht erwähnen, dass Insassen auch keine Pensionsversicherung haben. Das bedeutet im Klartext, dass die Arbeit, die Insassen oft über Jahrzehnte verrichtet haben, auf die Pension gerechnet eben nicht gerechnet wird.


Und dann gibt es auch noch die Insassen, die man aus irgendwelchen Gründen nicht zur Arbeit einteilen will. Das kann unter anderem wegen ihrer Gefährlichkeit gegenüber anderen Insassen oder Beamten sein, wo dann diese Maßnahme verständlich ist. Wenn aber ein Insasse nur deshalb keine Arbeit bekommt, weil die Obrigkeit ihn nicht mag, dann ist das wieder einmal die kranke Denkweise der Justiz. Denn ein Insasse ohne Arbeit kommt auf dumme Gedanken, usw.

Nun kann man sagen, dass diese Arbeiten sowieso nicht wirklich relevant sind. Nun, sie sind es doch. Denn an deren Arbeiten hängt ein ganzer Wirtschaftszweig. Beamte, Richter, Staatsanwälte und Justizwachebeamte wären von einem Tag auf den Nächsten ohne Job, wenn es plötzlich keine Strafgefangenen mehr gäbe. Und was noch viel schwerer wiegt ist, dass von heute auf morgen all diese Personen keine Möglichkeit mehr hätten, Arbeiten zum Nulltarif erledigen zu lassen. Denn wo lässt der Richter oder Staatsanwalt vom Landesgericht Graz am Auto seine Reifen wechseln oder kleine Reparaturen durchführen? Ganz genau, in Graz – Karlau. Wen holen sie, wenn Tischlerarbeiten zu erledigen sind oder z.B. auch eine komplette neue Küche gebaut werden soll? Es haben sich schon Bedienstete ganze Häuser samt Einrichtungen nur durch Insassen bauen und herstellen lassen. Bezahlt haben sie den Materialpreis und ein kleines Trinkgeld. Der Insasse, der oft fachmännisch sehr kompetent ist, muss den Kopf senken und sich auch bei nur zwei Euro am Tag noch herzlich bedanken.



Nein liebe Leute, das kann es nicht sein. Die allgemeine Vorstellung in der Öffentlichkeit ist durch eine vollkommen falsche Medienberichterstattung geprägt. Ich kann mich an Headlines erinnern, in denen ein großes österreichisches Printmedium titelte, „Häftlinge verdienen mehr als Pensionisten“. Mag sein, dass das zutrifft. Allerdings wurden da dann wahrscheinlich die Häftlinge aus Monaco mit den Pensionisten aus Bulgarien verglichen. Denn in Österreich geht diese Rechnung nicht auf.

Ist die Arbeit eines Insassen nun Zwangsarbeit? Die Justiz sagt natürlich nein und wenn man es streng nach dem Gesetz sieht, so ist es tatsächlich keine, denn die Insassen erden ja für die Arbeit bezahlt – wenn auch mit lächerlich kleinen Beträgen. In meinem und unserem Verständnis allerdings ist es Zwangsarbeit, denn auch die Justiz nimmt es mit den Gesetzen nicht unbedingt immer so genau.

 

ms


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