…das ist eine Frage, die man sich im Grunde genommen nicht stellt. Wenn man in Freiheit lebt und deshalb so gut wie nichts mit dem Strafvollzug zu tun hat. Im Verständnis eines „Franken“ (siehe unsere Wiki (inmates-shelter.info) läuft der Strafvollzug in der Regel folgendermaßen ab. Eine Person begeht eine Straftat. Die Exekutive beginnt zu ermitteln. Der Verdächtige wird verhaftet (oder auch nicht) und irgendwann kommt es zu einer Verhandlung wo der Angeklagte zu einer Haftstrafe verurteilt wird (sehr allgemein ausgedrückt). Dann kümmert sich die Justizwache um diese Person bis er am Strafende wieder entlassen wird. Die Möglichkeit einer vorzeitigen Entlassung gibt es, und wird im Verständnis des „Otto-Normalverbrauchers“ auch (viel zu) oft angewendet.
Grundsätzlich stimmt das so. Allerdings, und das haben wir bereits in mehreren Artikeln dargelegt, gibt es in Österreich rund 9000 Strafgefangene und somit auch 9000 individuelle Schicksale, die man nicht miteinander vergleichen kann und darf. Und über das berühmte Ost-West Gefälle haben wir auch schon mehrmals berichtet.
Die zu klärende Frage ist, bis zu welchem Zeitpunkt dienst der Strafvollzug der (vom Gesetzgeber vorgeschriebenen) Resozialisierung und ab wann ist der Strafvollzug nur mehr ein Rachevollzug um dem Menschen hinter Gitter zu zeigen, wer am längeren Ast sitzt?
Die Fälle, die wir bis dato öffentlich präsentiert haben, zeigen ein Bild vom Strafvollzug, der einzig und alleine auf Rache aus ist und mit Resozialisierung nichts zu tun hat. Ich kann definitiv von keiner Resozialisierung sprechen, wenn ich z.B. den Fall des Peter P. heranziehe. Der Insasse dessen Gesundheit während der Haft so dramatisch geschädigt wurde, dass er nunmehr ein Patient für die Dialyse ist. Nun kann man einwenden, dass ihm dieses Schicksal wahrscheinlich auch in Freiheit gedroht hätte. Auch das ist nur bis zu einem gewissen Grad richtig. Denn in Freiheit wäre es nicht über 10 Jahre lang gezwungen worden sich mit für ihn schädlicher Nahrung zu verpflegen. Er hätte nicht 10 Jahre lang einem Augenarzt vertraut, der ihm über die ganze Zeit weiß machen wollte, man könne ihm nicht mehr helfen nur um dann zu erfahren, dass er an einem „simplen“ grauen Star leidet der operativ behandelt werden kann. Vielleicht würde er heute auch ein Patient für die Dialyse sein. Allerdings hätte er deutlich höhere Chancen gehabt, wenn man auf derartige Erkrankungen besser eingehen würde.
Die anderen Fälle zeigen ein ähnliches Bild. Der gesamte Strafvollzug zielt auf Rache und nicht auf Resozialisierung ab. Rache gegenüber dem Staat, was im Grunde genommen krank und pervers ist. Denn die meisten Straftaten richten sich definitiv nicht gegen den Staat sondern gegen Privatpersonen. Fragt man diese Privatpersonen dann aber – und das hat wir tatsächlich in einigen der Fälle getan – so erfährt man, dass diese zwar für eine Bestrafung eintreten, diese aber auch nur bis zu einem bestimmten Grad gehen sollte. Eine Bestrafung wie im Fall des Peter P. wird von keinem der privaten Geschädigten gutgeheißen.
Also, Haftstrafen abschaffen und alle Insassen aus den Gefängnissen entlassen? Gott nein. Und wir sagen in diesem Fall ganz bewusst nein. Denn es gibt zurzeit keine vernünftigen Alternativen zu Haftstrafen. Einem Mörder oder Kinderschänder kann man nicht mit einer Geldbuße bestrafen. Das würde nur noch mehr Unverständnis in der Bevölkerung hervorrufen. Der notwendige Prozess der Resozialisierung beginnt am ersten Tag der Haft und endet NICHT mit dem Letzten. Für die Zeit nach der Haft gibt es genügend Institutionen wie z.B. „Neustart“, die sich äußerst engagiert und auch kompetent um die ehemaligen Strafgefangenen kümmern und alles Mögliche dafür tun, dass diese einen halbwegs normalen Start in ein neues Leben haben. Für die Zeit davor ist die Justiz zuständig mit ihren Sozialarbeitern, Psychologen, Psychiatern, Ärzten und auch Justizwachebeamte. Dass dies allerdings rein illusorisch ist, zeigen wir in unseren Artikeln. Es fehlt an allen Ecken und Enden an Ressourcen. Egal ob es Beamte sind oder Bedientete im medizinischen Beriech oder auch Sozialarbeiter. Dazu kommt noch in den meisten Fällen ein interner Machtkampf zwischen Beamten und Bediensteten, unter denen die Insassen zu leiden haben.
So ist es eher die Regel als die Ausnahme, dass Insassen oft jahrelang auf Therapieplätze warten müssen um an sich selbst und der Verarbeitung ihrer Tat zu arbeiten. Therapeuten sind überfordert mit den Aufgaben, die in den Anstalten auf sie warten und viele von ihnen kündigen ihren Job. Auch das ist ein beliebtes Spiel bei vielen Psychologen und auch Sozialarbeitern. Das „Job-Hopping“. Von einem Job zum Nächsten. Eben bei diesen beiden Berufsgruppen können wir diese Entwicklung in den letzten Jahren vermehrt beobachten. So ist uns z.B. bekannt, dass speziell in der Justizanstalt Graz - Karlau Sozialarbeiter und Psychologen sich mehr oder weniger die Klinke in die Hand geben. Der Aufbau einer Vertrauensbeziehung zu einem Insassen ist so natürlich vollkommen unmöglich. Der Insasse Karl K. aus Graz – Karlau hat in seiner Haftzeit mittlerweile acht zuständige Psychologen kommen und gehen gesehen und drei Sozialarbeiter. Wie soll ein Insasse richtig und kompetent bewertet werden, wenn ständig die Verantwortlichen wechseln?
Das bringt uns zur eigentlichen Frage zurück. Wie weit darf der Strafvollzug gehen? Darf er das Leben eines Menschen zerstören? …der vielleicht zuvor selbst ein Leben zerstört hat? Darf er eine Familie auseinanderreißen? Darf er einen Menschen als gesundheitliches Wrack zurücklassen? …und damit dem Steuerzahler eine weitere Last sein? Fragen wir uns selbst was wir wollen. Einen ehemaligen Strafgefangenen, der arbeitet und in die Gesellschaft integriert ist oder Jemanden, der nach mehreren Jahren Haft ohne soziale Bindungen und vielleicht auch gesundheitlich angeschlagen aus der Haft entlassen wird. Die erste Möglichkeit wäre mir persönlich lieber.
Ein anderes Beispiel ist Manfred K. Die Tat für die er verurteilt wurde, tut hier nichts zur Sache. Fakt ist, das er für 15 Jahre hinter Gitter musste. Schon vor seiner Verhaftung war er ein wenig gesundheitlich angeschlagen, allerdings weit davon entfernt gefährlich für ihn zu sein. Noch bevor das aktuelle Pflegepersonal der Anstalt (wie schreiben bewusst nicht, in welcher Anstalt K. inhaftiert war) ihren Dienst angetreten hatte, versahen dort andere Pfleger und Schwerstern ihren Dienst. Während einer Routineuntersuchung und mehreren Injektionen wurde K. mit dem HI- und HP-Virus infiziert. Da weder er noch jemand anderer damit rechnete, fiel es auch einige Zeit lang nicht auf. Bis zu einem Tag an dem ihm im Krankenhaus, ebenfalls bei einer Routineuntersuchung, Blut abgenommen wurde. Dabei wurde die Infektion festgestellt. Lange hat man n ach dem Infektionsherd gesucht, bis schließlich alle potentiellen anderen Quellen
ausgeschlossen werden konnten. Die eigentliche Frechheit (man möge mir verzeihen) kommt aber jetzt. Anstatt das man sich einerseits adäquat um ihn kümmerte und ihn vielleicht auch eine Entschädigung zukommen ließ, ließ man ihn einfach „links liegen“. Manfred K. wurde von Seiten der Anstalt, den Pflegern und Schwestern sowie den Ärzten gemieden. Dabei stellt sich mir persönlich die Frage wie das bei den Ärzten der Fall sein kann, die ja einen Eid geschworen haben. Aber das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls ließ man K. so jahrelang dahinvegetieren. Der gesundheitliche Verfall war bei ihm immer mehr und deutlicher zu beobachten. Am meisten jedoch an seinen Beinen. Die sahen bereits nach kurzer Zeit so aus, als würde K. schon seit Jahrzehnten an Diabetes leiden. Teilweise nekrotische Gefäße und offene Wunden zeugten lange Zeit über das aktuelle gesundheitliche Bild des Insassen. Erst zu diesem Zeitpunkt begann man sich schön langsam bei den Pflegern, Schwestern und Ärzten Sorgen zu machen. Die Anstaltsleitung hatte nach wie vor kein Interesse an ihm. Im Gegenteil. Man brandmarkte ihn als „Giftler“ (= Drogensüchtiger). Dieses Brandmal haftete an ihm aufgrund der beiden Erkrankungen. Zu diesem Zeitpunkt wurden bereits massiv Ansuchen an die zuständigen Gerichte geschrieben um Manfred K. aufgrund seines schlechten Gesundheitszustands aus der Haft zu entlassen. Vergebens. Man begründete dies mit „generalpräventiven Gründen“. Am Ende wurden K. beide Beine amputiert und er ist jetzt auf ständige Hilfe angewiesen.
Mit der Generalprävention kann die Justiz so gut wie alle Ablehnungen begründen. Dieser perfide Grund besagt, dass ein Antrag abgelehnt wird, um potentielle andere Straftäter von deren Straftaten abzubringen. Auf gut Deutsch heißt das, der Antrag von Manfred K. wurde abgelehnt, damit Sie oder irgendjemand Anderer davon abgehalten wird, eine Straftat zu begehen. Jetzt stellt sich für mich persönlich die Frage, wie lange kennen Sie Manfred K. schon? Wahrscheinlich haben Sie noch nie von ihm gehört, so wie 99,9% aller anderen in Österreich lebenden Menschen. Wie also soll seine Ablehnung und weitere Haft potentielle andere Straftäter abhalten? Etwas Anderes wäre es, wenn K. ein Promi wäre. Dann allerdings würde er sowieso nicht in Haft sein. Damit zeigt uns die Justiz wieder einmal, dass man nur genügend Geld haben muss um in Österreich mit (fast) allem davonzukommen.
Der letzte Fall für heute betrifft Sandor Z. aus Ungarn. Im Grunde genommen ein ganz gemeiner „Kriminaltourist“. Jemand, der für eine Straftat nach Österreich kommt und hofft damit durchzukommen. Er wurde verhaftet und zu fünf Jahren Haft verurteilt. Während seiner Haft erlitt er einen Schlaganfall. Das hätte ihm auch in Freiheit passieren können. Das ist aber nicht der Punkt. Denn was nun geschah ist ebenso perfide wie krank. Sandor Z. war nach seinem Schlaganfall ans Bett gefesselt. Sogar Gutachter haben einhellig dies bestätigt und waren der Meinung, dass er wahrscheinlich nie wieder halbwegs normal leben wird können. Das Bewegen seiner Hände, Essen, Körperpflege, alles vollkommen alltägliche Dinge. Für Sandor Z. jedenfalls nicht. Natürlich hat man auch in seinem Fall versucht ihn aufgrund seines gesundheitlichen Zustands aus der Haft zu entlassen, doch auch seine Anträge wurden allesamt abgelehnt. Ein Pflegefall, der nichts hinter Gitter u suchen hat. Vor allem, weil es keine Anstalt gibt in der derartige Pflegefälle tatsächlich adäquat behandelt werden können. Allerdings kam es noch schlimmer. Sandor Z. erlitt während einer Vollnarkose ein Nierenversagen mit irreparabler Schädigung. Muss ein „tolles“ Gefühl sein, wenn man aus der Narkose erwacht, irgendwo auf der Intensivstation liegt und einem der Arzt sagt, dass man noch etwa eine Woche hat. Doch auch jetzt verweigerte das zuständige Vollzugsgericht dem Insassen eine Entlassung. Man ließ den Mann hinter Gitter elendig krepieren (sorry für die Wortwahl). Beim Vollzugsgericht handelte es sich übrigens um Graz. Richterin in diesem Fall B.S. und der Name des Insassen wurde geändert.
Ich werfe die Frage nochmals in den Raum. Wie weit darf Strafvollzugs gehen? Wollen wir einen aktiven und intakten Resozialisierungsprozess oder wollen wir Insassen, die aufgrund ihrer psychischen und physischen Leiden, die sie während der Haft erlitten haben, dem Steuerzahler zur Last fallen und im Endeffekt die Rückfallsquote hoch halten?
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