Lebenslang = 20 Jahre ?

ms • 17. Januar 2025

Mythen des Strafvollzugs.

Heute möchten wir mit einem in Österreich vorherrschenden Mythos aufräumen. Nämlich, dass das Urteil „Lebenslang“ nach einer Haftdauer von maximal 20 Jahren vorüber ist. Sprich, Insassen mit dem Urteil „Lebenslang“ nach längstens 20 Jahren entlassen werden.

Im Grunde genommen heißt dieses Urteil genau, das, was es aussagt. Nämlich, eine lebenslange Haftstrafe. Also bis zum Tod des Insassen. Dass in vielen Fällen die Insassen bereits davor entlassen werden, liegt einfach an der meistens nicht mehr rosigen körperlichen Verfassung, in der sich die Betroffenen befinden. Der Mythos mit den 20 Jahren entstand daraus, dass in der Regel der Schnitt bei genau dieser Zahl liegt. Dies bedeutet, dass im Schnitt ein Strafgefangener mit dem Urteil „Lebenslang“ nach gut 20 Jahren entlassen wird. Rein statistisch gesehen. Rein statistisch gesehen, werden „Lebenslängliche“ sogar „schon“ nach 19,2 Jahren entlassen. Aber wie gesagt, das ist reine Theorie.

Was ist für eine bedingte Entlassung aus einer lebenslangen Freiheitsstrafe notwendig? Zuerst einmal muss der Strafgefangene mindestens 15 Jahre von seiner Strafe verbüßt haben. Davor geht gar nichts. Dann muss der Strafgefangene eine „Mitarbeit am Vollzugsziel“ erkennen lassen. Das Vollzugsziel ist natürlich die Resozialisierung. Also, dass der Verurteilte in Freiheit keine strafbaren Handlungen mehr begeht.

Dabei sind wir schon beim ersten Problem. Denn zu lebenslanger Haft wird man in der Regel wegen Mordes verurteilt (ein paar Ausnahmen gibt es). Morde werden in der Regel aber nicht von sogenannten „Berufskriminellen“ begangen, sondern von dem typischen „Mann von nebenan“ (bewusst nicht gegendert!). Das Rückfallsrisiko ist bei Morden tatsächlich am geringsten. Ehemalige Mörder werden äußerst selten wieder straffällig. Diebe, Betrüger, Gewalttäter, etc. hingegen schon. Die Mitarbeit am Vollzugsziel und die Gefährlichkeit eines Rückfalls sollte also nicht das Hauptargument bei Entlassungen sein.

Dann gibt es natürlich auch noch das sogenannte Vollzugsverhalten, das in weiterer Form auch zur Mitarbeit am Vollzugsziel zählt. Das Magazin „Blickpunkte“ hat hier erst vor Kurzem einen kurzen Bericht vom Gastautor Mag. Peter P. gebracht. Wir sind mit Mag. P. in regen Kontakt und kennen seinen Vollzugsakt, der im lupenrein ist. Genauso wie viele andere Akten, die wir – zumindest auszugsweise – kennen. Wie hoch wird also das Vollzugsverhalten bei den Erwägungen zu einer bedingten Entlassung bewertet?

Liest man die Protokolle von Anhörungen zu bedingten Entlassungen, so kommt man sehr leicht auf den Verdacht, dass dies von der Tagesverfassung des Entscheiders abhängt. Also hat es im Grunde genommen keinerlei Einfluss. Vielmehr wird hierfür eher die Meinung eines „Fachteams“ herangezogen, die in der Regel mit dem Insassen sehr wenig bis gar nichts zu tun haben. Denn die Personen, die mit dem Insassen unmittelbar zusammen sind und mit ihm zusammenarbeiten, sind im Fachteam nicht vertreten.


Wir vertreten übrigens aktuell einige Insassen bei Klagen gegen die sogenannten Fachteams in diversen Justizanstalten. Eine Sache ist nämlich auch hier sehr klar zu beobachten. Eine „gute Führung“ heißt im Grunde genommen gar nichts. Im Gegenteil, es kann auch negativ ausgelegt werden. Dann hat man nämlich eine sogenannte „Scheinführung“. Damit kommen wir wieder zurück zur Tagesverfassung.

Was wir damit gemeint haben, ist, dass der Entscheider eine gute Führung als positiv aber auch als negativ bewerten kann. Je nachdem, ob er dem Antrag positiv bescheiden möchte oder nicht. Will er, dann wird es positiv ausgelegt. Will er nicht, so wertet er es als Scheinführung. Die uns diesbezüglich vorliegenden Fälle belegen dies. Der Ausdruck „Scheinführung“ ist übrigens nicht unserem Wortschatz entsprungen. Er stammt tatsächlich von einem:r RichterIn am LG Graz (uns bekannt, soll aber hier selbstverständlich nicht genannt werden).

Damit zurück zum eigentlichen Thema. Lebenslang bedeutet keinesfalls, dass ein Insasse nach 20 Jahren entlassen wird. Nehmen wir das Beispiel Werner K., derzeit in der Justizanstalt Stein. Davor in mehreren anderen Anstalten wie z.B. Graz – Karlau, etc. Werner K. ist seit mittlerweile 38 Jahren eingesperrt. 38 Jahre am Stück – ohne Unterbrechung. Lasst euch das mal auf der Zunge zergehen und rechnet 38 Jahre zurück. Wo wart ihr? Wart ihr schon geboren, seid zur Schule gegangen? Oder nehmen wir das Beispiel Karl K. Er ist mittlerweile seit 42 Jahren eingesperrt. Natürlich auch am Stück und ohne Unterbrechung.


Ganz perfide aber ist der Fall von Franz Karl D. Er ist seit 46 Jahren in Haft. Aktuell in Garsten, davor in Graz – Karlau. Das besonders Perfide an seinem Fall ist, dass er bereits im Jahr 2001, also vor mittlerweile 24 Jahren (!)) von der damaligen Anstalt Vollzugslockerungen genehmigt bekommen hat und tatsächlich auch schon mehrmals auf Ausgang war. Aufgrund eines Vorfalls eines anderen Insassen damals wurden ihm allerdings sämtliche Lockerungen gestrichen, was eigentlich gegen geltende Gesetze ist, aber wann haltet sich die Justiz schon an ihre eigenen Gesetze? Seit diesem Tag wartet er erneut auf Lockerungen und eine mögliche Entlassung. Das ist so wie die berühmte Karotte, die man mit einer Angel vor den Esel hängt. Der Mann war bereits in Freiheit und hat sich darauf eingestellt wieder ein normales Leben zu führen.

Das sind nur drei der Fälle, die uns persönlich bekannt sind und mit denen wir auch persönlich Kontakt haben. Fairerweise muss man erwähnen, dass bei Karl K. nun nach 42 Jahren endlich mit Vollzugslockerungen begonnen wird und er auch schon das eine oder andere Mal in Begleitung draußen war.

Der Mythos von Lebenslang = 20 Jahre ist also grundlegend falsch. Lebenslang bedeutet genau das, was es aussagt. Nämlich bis zum Tode. Dass es tatsächlich auch in jüngster Vergangenheit einige Insassen gegeben hat, bei denen das zutrifft, beweisen z.B. Udo P., Bernhard K., Peter P. um nur drei von den uns bekannten Fällen zu nennen.


Sollen wir also lebenslang auf 20 Jahre beschränken oder es mit den Worten eines österreichischen Politikers sagen, der meinte, „Lebenslang muss lebenslang bleiben“? Keines von beiden ist richtig. Ein Mittelweg muss unbedingt gefunden werden. Ein Mittelweg bei dem JEDEM Verurteilten die Chance gegeben wird einen Neuanfang zu wagen. Ein Neuanfang, der nicht davon abhängt, ob ein Richter einen guten Tag hatte oder vielleicht ihm am Weg zum Gericht jemand den Parkplatz „gestohlen“ hat. Resozialisierung und soziale Re(Integration) ist wichtig und muss deutlich mehr forciert werden, damit dieser Mythos in Zukunft möglicherweise wahr wird oder die Zahl sogar gesenkt werden kann. Denn eines ist auch einwandfrei wissenschaftlich bewiesen. Je länger die Haftstrafe andauert, desto weniger Sinn macht sie.


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