Der Kampf eines Arztes

en • Mai 01, 2024

Ärzte:innen kämpfen oft auf verlorenen Posten

Die medizinische Grundversorgung innerhalb eines Gefängnisses stellt sich im Grunde genommen nicht viel anders dar als außerhalb der Gefängnismauern. Auch im Gefängnis muss man vor der Konsultation eines Arztes (außer in Notfällen) einen Termin vereinbaren. Hier funktioniert das allerdings nicht telefonisch, sondern per Ansuchenzettel, den man dem diensthabenden Beamten in der Früh abgibt.


Der Unterschied zum Prozedere in Freiheit ist, dass man keinerlei Möglichkeiten hat den Arzt sich selbst auszusuchen. Es gäbe zwar rein theoretisch die Möglichkeit vom Gesetz her auch einen Wahlarzt zu bestimmen. Dies ist jedoch mit einem erheblichen Logistikaufwand für den Insassen verbunden und außerdem muss dafür eine sogenannte "Ausführung" zum jeweiligen Arzt bezahlt werden. Davor schrecken die Meisten zurück.

Das heißt, man ist als Insasse auf einen Arzt angewiesen, der von der Justiz vorgegeben wird. Hat man nun das Problem, mit diesem Arzt nicht klarzukommen oder schenkt ihm/ihr aus irgendwelchen Gründen kein Vertrauen, dann hat man schlicht und einfach Pech gehabt. Es sind Fälle bekannt wo ein Anstaltsarzt bestimmte Insassen einfach nicht mehr behandelt hat, weil sie es gewagt hatten bestimmte Vorgehensweisen von ihm in Frage zu stellen. Beispiel Dr. S. der JA Graz - Karlau beim Insassen Sigi S.


Die grundlegende Problematik hier allerdings liegt nicht beim Arzt selbst. Ich habe in meiner Zeit als Anstaltsarzt es oftmals erlebt, dass medizinisches Personal (auch z.B. Pfleger oder Schwestern) aufgrund ihrer Berufsethik bestimmte Schritte einleiten wollten um einem Insassen die notwendige medizinische Behandlung zuteilkommen zu lassen. Dieses Engagement wurde in vielen Fällen im Keim erstickt Mir ist sogar ein Fall bekannt wo eine Ärztin von der Justiz gekündigt wurde, weil sie zu viel für Insassen tun wollte. Die Frau Dr. A. war auch eine der Wenigen, die offen das äußerst ungesunde Essen der Anstalt kritisiert hat und die Meinung vertrat, dass ein derartiges Essen für bestimmte Personen (Diabetiker, Personen mit Niereninsuffizienz, etc.) äußerst schädlich sei. Wo das hingeführt hat, hat man dann gesehen.


Obwohl natürlich auf medizinische Entscheidungen Justizwachebeamte offiziell keinen Einfluss haben, wird dennoch versucht oftmals zu intervenieren um die Kosen für den Vollzug so gering wie möglich zu halten. So sind mir persönlich Fälle bekannt, wo ich eine weiteführende medizinische Behandlung bei einem Facharzt oder einem der umliegenden Krankenhäuser dringend empfohlen habe, die tatsächliche Überstellung bzw. Ausführung dann aber sich bis zu drei Jahren hingezogen hat. Ein Zeitraum der bei einem Notfall deutliche Schäden an der Gesundheit hinterlässt.


Eine andere Vorgehensweise, die ich als Allgemeinmediziner äußerst zweifelhaft finde ist, dass innerhalb des Strafvollzugs bestimmte Psychopharmaka verteilt werden, als wären es Smarties. So einfach an Drogen zu kommen wie im Gefängnis ist es sonst nirgendwo. Der Strafvollzug ist auch der einzige Bereich bei dem ich beobachten musste, dass ein verantwortlicher Psychiater die von ihm verschriebenen Psychopharmaka selbst massenhaft konsumiert. Natürlich wird das auch in Freiheit vorkommen, dort allerdings hängen nicht ganze Leben von der Tagesverfassung eines derartigen Mediziners ab (Stichwort Maßnahmenvollzug).


Möglicherweise wäre es besser bei der Verteilung von Psychopharmaka den Enthusiasmus ein klein wenig zurückzufahren und stattdessen das dadurch eingesparte Geld (das geht in die hunderttausende pro Anstalt) für den herkömmlichen Vollzug - sprich die herkömmliche medizinische Versorgung - heranzuziehen.


Nur die Meinung einer (nicht mehr) beteiligten Medizinerin.

Share by: