Verbotene Liebe

ms • Juli 29, 2024

Warum Beziehungen hinter Gittern so schwierig sind


Ich denke, jeder der das hier liest war schon mal verliebt, liebt gerade oder weiß zumindest was dieses Wort heißt. Vor allem sollte man den Unterschied zwischen Verliebtheit, Triebbefriedigung und Liebe kennen. Auf diesen Unterschied möchte ich hier nicht eingehen. Für unseren Bereich interessant ist die Frage, wie kann man eine Beziehung innerhalb von Gefängnismauern aufrecht halten? Nun, das kommt darauf an. Vor allem auf die Straflänge, aber ich möchte gleich vorwegnehmen, dass mehr als 90% aller Beziehungen spätestens wenige Monate nach Antritt einer Strafe in die Brüche gehen.


Woran liegt das? Auch hier sind die Gründe vielschichtig. Einer der Hauptgründe jedoch ist die Tatsache, dass man nicht wirklich viel Zeit zusammen verbringen kann. Einige werden da jetzt jubeln und sagen, dass das der Beziehung sehr helfen kann. Im Grunde genommen stimmt das auch – zumindest am Anfang. Denn durch die Trennung wird das Verlangen aufeinander deutlich höher und gesteigert. Irgendwann aber ist Schluss damit. Da übernimmt dann in den Köpfen eher der Frust und gewinnt gegen das Verlangen. Frust darüber, dass man eben nicht zusammen sein kann. Und da der Mensch ein Gewohnheitstier ist, gewöhnt er sich auch an diese Situation. Will heißen, der Insasse lebt innerhalb der Anstalt sein Leben und auch das Leben draußen geht weiter.


Hinzu kommt noch der Eifersuchtsfaktor. Selbst wenn jemand überhaupt nicht eifersüchtig ist, nährt diese lange Trennung die Gefühle des Misstrauens und des Zweifels. Denn wirklich sicher sein, kann man sich nie. Da helfen keine ehrlichsten Schwüre und Beteuerungen. Ein übler Nachgeschmack bleibt. Da wird dann ganz schnell der beste Freund zu einem Todfeind, nur weil er mit dem eigenen Partner einen Kaffee trinken war oder die Partnerin macht eine unbewusste und gedankenlose Bemerkung. Kleinigkeiten, über die man normalerweise nicht nachdenkt. Für einen Insassen jedoch Gift. Warum ist es Gift? Damit wären wir wieder beim eigentlichen Übel. Als Insasse einer Justizanstalt ist man gegenüber der Außenwelt vollkommen wehrlos. Die Gewissheit, dass man selbst auf die schlimmsten Nachrichten nicht wirklich reagieren kann, ist für einen selbst zerstörerisch.


Ich kenne viele männliche Insassen. Starke und gestandene Männer. Nachdem ihre Freundinnen oder auch Ehefrauen mit ihnen Schluss gemacht haben, sind sie allesamt zusammengebrochen. Einige von ihnen waren kurz vor dem Suizid. Man weiß als Mensch in Freiheit nicht wie das ist, auf Nachrichten überhaupt nicht reagieren zu können. Ist es dann besser, nichts zu sagen und dem Insassen etwas vorzulügen?


Nein, natürlich nicht. Aber ein derartiger Schritt muss peinlichst genau geplant und durchgeführt werden. Schritt für Schritt muss der Mensch darauf vorbereitet werden. Auch die neuerdings geschaffenen Möglichkeiten für den sogenannten Familienbesuch helfen da nicht wirklich weiter. Gut, sobald Kinder mit im Spiel sind, wird man sich einen derartigen Schritt doppelt und dreifach überlegen. Doch auch ein Familienbesuch kann auf Dauer gesehen nicht über das herkömmliche Familienleben hinwegtäuschen. Es ist ein vorgaukeln wie es sein könnte für die Dauer von drei bis sechs Stunden. Danach gehen beide Partner wieder ihre eigenen Wege.

Deshalb fordern wir schon seit langer Zeit, dass die Justiz endlich die Möglichkeit für Smartphones und Handys innerhalb von Gefängnissen schaff. Oder auch – noch besser – die Möglichkeit für einen begrenzten und teilweise überwachten Internetzugang. Das würde schon deutlich helfen.


Damit kommen wir zum zweiten großen Themenbereich bei Beziehungen. Der Beziehung von Beamten und Beamtinnen mit Insassen bzw. Insassinnen. Gibt’s nicht oder nur im Film und Fernsehen? Weit gefehlt. Das kommt deutlich häufiger vor, als man denkt. Wobei, Beziehung kann man in den meisten Fällen dazu nicht sagen. Erst vor wenigen Wochen war ein derartiger Fall in der Justizanstalt Graz – Karlau in den Medien, der bis zur Verhaftung der Beamtin führe.


Klären wie einmal die Beweggründe für beide Seiten. Warum ein männlicher Insasse mit einer Beamtin ein Verhältnis oder eine Beziehung beginnt, dürfte relativ klar sein. Es ist einerseits der Reiz des Verbotenen. Dann kommt hinzu, dass viele Männer Frauen in Uniform sexy finden und natürlich kommt auch die Trennung von ihren Familien dazu. Und wenn sie draußen gar keine Partnerin haben, dann ist der Trieb sowieso auch deutlich stärker. Also ein weiterer Grund ist, das sie einfach da ist und „zur Verfügung steht“ (man möge mir diesen Ausdruck verzeihen). Und wer jetzt glaubt, dass das bei Insassinnen anders ist, der hat sich deutlich geirrt. Frauen in dieser Situation fühlen nicht anders als Männer. Sie verstecken es vielleicht besser, aber sie fühlen (meistens) genauso.

Die andere Seite sieht da schon ein wenig anders aus. Die Gründe sind deutlich vielschichtiger. Was bringt eine Beamtin dazu ein Verhältnis mit einem männlichen Insassen zu beginnen. Nun, da spielt sicher auch der Reiz des Verbotenen mit eine Rolle. Vielleicht wird die Beamtin von ihrem Partner zu Hause schlecht behandelt. Vielleicht sucht sie einfach ein Abenteuer, was auch den Reiz des Illegalen ausmacht. Viele Frauen spielen auch gerne mit dem Gedanken, einen potentiellen Partner so zu formen, wie sie das möchten. Als Beamtin ist der Insasse mehr oder weniger ihren Willen ausgeliefert und muss auf ihre Reize reagieren. Vielleicht ist es auch reizvoll, einen Mann einfach zu unterdrücken.


Allerdings muss man sagen, dass die Statistik bei derartigen Fällen eher das Gegenteil zeigt. Denn aus einer anfänglichen Affäre bei der sie die Oberhand hat, wird schnell genau das Gegenteil und der Insasse übernimmt die Führung. Deshalb ist eine derartige Beziehung von Seiten der Justiz auch so gefürchtet. Denn ab und zu gelingt es dem Insassen, die Beamtin auf eine bestimmte Art und Weise ihm hörig zu machen und dann von ihr Dinge zu verlangen – ja, zu erpressen. Das geht bei simplen Dingen los wie z.B. ein paar Mal mit dem Handy der Beamtin zu telefonieren, über selbst ein Handy von ihr hereingeschmuggelt zu bekommen bis hin zu richtigen Fluchten. Erst vor wenigen Jahren gab es da einen Fall der genauso gestrickt war.


Ein großes Problem dabei ist, dass die betreffende Beamtin in einem derartigen Fall sich immer weiter von der Affäre zu einer Beziehung hinbewegt und den Insassen dann tatsächlich mit ihrem Partner gleichsetzt. Dass es aber so gut wie nie zu einem happy-end führt, sollte klar sein. Und nein, mir kann niemand glaubhaft erzählen, dass es bei der Beamtin oder dem Insassen die „wahre Liebe“ ist. Ware Liebe vielleicht wenn sie immer mehr von ihm abhängig wird und für ihn Dinge mit in die Anstalt nimmt.


Außenstehende fragen sich dann oft, warum die Beamtin niemanden in ihrem sozialen Umfeld gesucht hat. Nun, so abwegig das jetzt auch klingen mag, aber Insassen und somit ihr Arbeitsumfeld, gehören nach einiger Zeit auch zu ihrem sozialen Umfeld. Warum? Auch bei herkömmlichen Arbeitsverhältnissen (Büro, Verkauf, etc.) kann man beobachten, dass nach einer bestimmten Zeit die Kollegen definitiv zum sozialen Umfeld gehören. Viele von ihnen werden sogar bedeutender als die eigene Familie. Man geht lieber und öfter mit Kollegen und Kolleginnen aus, als mit der eigenen Frau bzw. dem eigenen Mann. Geburtstage, Weihnachten, etc. werden am Arbeitsplatz meistens deutlich intensiver gefeiert und wahrgenommen als zu Hause. Es ist also gar nicht so abwegig die Insassen in ihrem Umfeld auch als ihr soziales Umfeld zu bezeichnen. Natürlich wird von Seiten der Justiz versucht dem entgegenzuwirken und durch interne Verordnungen sollen Beamte und Beamtinnen zu größerer Distanz ermahnt werden. Doch wenn man mit einem Menschen oft über viele Jahre hinweg zusammenlebt und zusammenleben muss, dann stellt sich dieses Gefühl der Vertrautheit von selbst ein.



Das führt uns zum dritten und letzten Bereich. Was macht Insassen einer Justizanstalt für alleinstehende Menschen draußen so reizvoll? Vieles. In erster Linie aber die schon zuvor beschriebenen Gründe. Es hat etwas Verbotenes an sich und ein Insasse ist in vielerlei Hinsicht wehrlos. Ein Mann hinter Gittern kann nicht einfach so weglaufen und die Frau verlassen. Das trifft natürlich auch im umgekehrten Fall zu auch wenn die Beziehungen zwischen Beamen und Insassinnen doch deutlich seltener sind. Ein Mann, der die Frau nicht verlassen kann, treu ist und der in einer gewissen Art und Weise von der Frau abhängig ist, ist für viele Frauen draußen so eine Art perfekter Mann. Da rücken andere Details wie z.B. das Aussehen, die Figur oder auch seine Tat die zur Verurteilung führten, schnell in den Hintergrund.

Fazit: Derartige Beziehungen kann und wird man nicht verhindern können. Man kann zwar von Seiten der Justiz in internen Memos immer wieder die Distanz fordern oder auch derartige Nahverhältnisse verbieten, aber das wäre so, als würde man das Menschsein verbieten. Deshalb sind Beziehungen zwischen Beamten und Insassen vom Gesetz her auch nicht verboten. Dennoch werden bei der leisesten Annahme schon der Insasse in eine andere Anstalt verschickt. Das geht so weit, dass man einer Frau in der heutigen Zeit nicht mehr ohne Konsequenzen sagen kann und darf, dass sie attraktiv ist. Es wird Zeit, dass auch die Justiz mit der Zeit geht und vielleicht ein klein wenig lockerer wird.

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